Netzintegration Elektromobilität

NETZlabor E-Mobility-Chaussee

Ein Projekt der Netze BW zur Netzintegration von Elektromobilität im ländlichen Versorgungsgebiet

Spannung auf dem Land

Natürlich gewachsene Ortsgrenzen, längere Distanzen zwischen den Anschlüssen und eine höhere Gesamtzahl der Anschlusskunden, die über einen Stromkreis versorgt werden: die Strukturen des Verteilnetzes im ländlichen Raum unterscheiden sich wesentlich von denen städtischer oder vorstädtischer Regionen. Die genannten Faktoren erhöhen vor allem das Risiko von größeren Spannungsschwankungen, welches durch hohe Leistungen, wie sie ladende E-Autos benötigen, nun noch verstärkt wird. Das macht den Ausbau und Betrieb ländlicher Verteilnetze verglichen mit städtischen Netzen zu einem komplexeren und aufwändigeren Unterfangen.

Ein Großteil der Netze im Versorgungsgebiet ist ländlich

Mehr als 60 % der Verteilnetze im Versorgungsgebiet der Netze BW sind ländlich bzw. sehr ländlich geprägt. Um einen möglichst repräsentativen Standort für ein NETZlabor in dieser Region auszuwählen, werden mehrere Schlüsselfaktoren berücksichtigt: Natürlich soll eine Gemeinde im ländlichen Raum ausgewählt werden. Darüber hinaus ist sowohl die Länge des Stromkreises als auch die Anzahl an Hausanschlüssen ausschlaggebend, um bestimmte Auswirkungen bei Spannung und Kapazität feststellen zu können. Die Wahl fällt schließlich auf die Römerstraße in der Gemeinde Kusterdingen im Landkreis Tübingen.

Zukunftsorientiert. Elektrisch. Mobil. Die 18-monatige Testphase liefert wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse zu zentralen Fragestellungen:

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1 Stromnetz. 8 Haushalte. 3 technische Lösungsansätze.

Welche Auswirkungen Elektromobilität auf Spannungsschwankungen in ländlichen Stromkreisen hat und welche Herausforderung die im Vergleich zu städtischen Gebieten längeren Distanzen zwischen den Anschlüssen an das Stromnetz stellen, wird gemeinsam mit den Projektteilnehmer*innen im NETZlabor E-Mobility-Chaussee untersucht.

Erhöhter Leistungsbedarf durch Elektrifizierung: Natürliches Ladeverhalten und dessen Auswirkungen auf das Stromnetz

Zusätzlich zu den üblichen Haushaltsverbrauchern wie Ofen, Herd oder Waschmaschine wirkt sich das Laden von E-Fahrzeugen stärker auf das Stromnetz aus. Bedeutet in der Praxis: Zu Zeiten, in denen alle oder die meisten Projektteilnehmer*innen ihre E-Autos zur gleichen Zeit laden möchten, kann sich der Leistungsbedarf schnell aufsummieren und es können Belastungsspitzen im Stromnetz entstehen. Um eine Grundlage für die anstehende Testphase und die Entwicklung von technischen Lösungsansätzen zur Verbesserung des Netzzustandes zu schaffen, wird daher zu Beginn des Projekts erst einmal das natürliche Lade- und Nutzungsverhalten der E-Pionier*innen betrachtet (freies Laden). Hierbei ist im NETZlabor zu beobachten, dass abends zwischen 19 und 23 Uhr die meisten Ladevorgänge mit einer durchschnittlichen Ladedauer von 2,6 Stunden stattfinden. Die maximale Gleichzeitigkeit liegt bei 6 von 8 ladenden E-Fahrzeugen (75 %). Während 60 - 70 % der Zeit (abhängig von der Jahreszeit) lädt kein E-Fahrzeug.

Nissan Leaf

  • Batteriekapazität: 40 kWh
  • Ladezeit 0 - 100 %: 8,5 h (AC)
  • Ladeleistung: 4,6 kW (AC)
  • Ladeverhalten: einphasig
  • Alltagsreichweite: ca. 220 km

Renault ZOE

  • Batteriekapazität: 41 kWh
  • Ladezeit 0 - 100 %: 2,15 h (AC)
  • Ladeleistung: 22 kW (AC)
  • Ladeverhalten: dreiphasig
  • Alltagsreichweite: ca. 250 km

Das Stromnetz gezielt entlasten durch verschiedene technische Lösungsansätze – Ergebnisse und Erkenntnisse der Testphasen

Während der 18-monatigen Testlaufzeit werden in insgesamt 16 Testphasen verschiedene Lösungsansätze untersucht, wie beispielsweise ein Strangregler, ein zentraler Batteriespeicher sowie statisches bzw. dynamisches Lademanagement. Darüber hinaus wird auch die Eigenverbrauchsoptimierung (Autarkie) eines einzelnen Haushalts betrachtet. Im Vordergrund steht dabei die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik, sprich die maximale technische Effizienz bei gleichzeitig größter Verträglichkeit mit dem Nutzungsverhalten der Kund*innen.

Der Strangregler: Schaltstelle für das Spannungsniveau

Der Strangregler ist ein technisches Bauteil, das lediglich auf das Spannungsniveau in einem einzelnen Stromkreis reagiert. Das Spannungsniveau wird durch den Regler angehoben oder abgesenkt — je nachdem, was erforderlich ist. Dieser Lösungsansatz ist eine kostengünstige Alternative zu einem kompletten Netzausbau, insbesondere in ländlichen Netzen, in denen die Spannung häufiger ein Problem darstellen kann als die Auslastung des Stromkabels. Während des Einsatzes bleibt die Spannung konstant im vorgegebenen Regelungsfenster zwischen 232 V und 240 V. Vor allem für abgelegene Stichleitungen ist der Strangregler eine denkbare Lösung. Allerdings ist für die laufende Überprüfung seiner Funktionalität entsprechende Messtechnik im Kabelverteilerschrank unbedingt empfehlenswert.

Der zentrale Batteriespeicher: Unterstützung für Spannungsniveau und Gesamtauslastung

Der zentrale Batteriespeicher bietet mehrere Wirkmöglichkeiten: Durch Einspeisung am Strangende – ähnlich einer EEG-Anlage – kann er sowohl einen positiven Effekt auf das Spannungsniveau ausüben als auch die Gesamtauslastung des Stromkreises reduzieren. Beispielsweise, wenn der eingespeiste Strom zeitgleich in der Straße verbraucht wird. Mit dem zentralen Batteriespeicher konnte mit statischen und dynamischen Betriebsmodi auf die maximale Spannungsdifferenz von 11,5 V im Stromkreis (Wert aus dem freien Laden) ein positiver Effekt erzielt werden.

Das Lademanagement: Stabile Steuerung bei garantierter Verfügbarkeit – statisch

Lademanagement sorgt dafür, dass einerseits die maximal zur Verfügung stehende Leistung gleichmäßig unter den E-Fahrzeugen verteilt wird, andererseits aber Lastspitzen im Stromnetz vermieden werden. Indem die in einem Stromkreis zur Verfügung stehende Leistung aufgeteilt wird, kann ein Lademanagementsystem gezielt Ladevorgänge steuern. Ausgehend von Standardlastprofilen, der zu erwartenden Nutzung von E-Fahrzeugen und dem daraus resultierenden Ladeverhalten werden während des statischen Lademanagements Fahrpläne erstellt. Damit wird die Ladeleistung temporär reduziert, um die Lastspitze der Elektromobilität gezielt zu senken. Es wird eine um 27,5 % geringere Durchschnittsauslastung des Stromkreises erreicht.

Das Lademanagement: Stabile Steuerung bei garantierter Verfügbarkeit – dynamisch

Beim dynamischen Lademanagement werden Ladevorgänge mittels Echtzeit-Messwerten aus dem Stromnetz gesteuert. Anders als bei statischen Varianten, die täglich im vorgegebenen Rhythmus und unabhängig von der Netzsituation Steuerungs- und Freigabebefehle ausführen, greift das dynamisch Lademanagement nur ein, wenn es die Netzsituation erfordert. Wird ein Grenzwert erreicht, beginnt das System mit einer schrittweisen Reduktion der Ladeleistung; verbessert sich die Netzsituation wird stufenweise wieder freigegeben. Den Kund*innen steht zwischen 85 - 95 % der Zeit die maximale Ladeleistung zur Verfügung, was nach eigenen Angaben zu keinerlei Einschränkungen in deren Nutzungsverhalten führt. Hochrechnungen mit den ermittelten Ergebnissen aus Kusterdingen ergaben, dass beinahe doppelt so viele E-Fahrzeuge in das Netz der Römerstraße integriert werden können, als ohne Zuhilfenahme dieses technischen Lösungsansatzes.

Lademanagement bietet das höchste Potenzial zur Integration einer großen Anzahl an E-Fahrzeugen in das Verteilnetz

Aus den Testszenarien des NETZlabors und den daraus abgeleiteten Erkenntnissen lassen sich folgende Punkte zusammenfassen:
  • Durch den Einsatz statischer Lademanagementvarianten kann die durchschnittliche Netzauslastung um bis zu 30 % reduziert werden.
  • Die netzdienliche Steuerung von Ladevorgängen durch dynamisches Lademanagement ermöglicht die Integration von beinahe doppelt so vielen E-Fahrzeugen in das bestehende Stromnetz als ohne Einsatz eines technischen Lösungsansatzes.
  • Ein Großteil der Projektteilnehmer*innen bemerkte das Lademanagement nicht, die Mehrheit von ihnen fühlte sich nicht dadurch eingeschränkt.

Elektromobilität überzeugt: Auch nach dem Projektende der E-Mobility-Chaussee sind bereits die ersten E-Pionier*innen privat auf ein E-Fahrzeug umgestiegen oder möchten dies zeitnah tun!

E-Pionier

Berthold Grauer

„Durch die Möglichkeit des NETZlabors konnte ich Elektromobilität im Alltag über einen langen Zeitraum testen. Dadurch wurde ich vom Skeptiker zum überzeugten E-Mobilist.“

E-Pionier*in

Anja und Steffen Reichl

„Die Reichweite des E-Fahrzeugs genügt eigentlich immer. Wir kommen abends nach Hause, hängen das Auto an die Wallbox und am nächsten Morgen ist es wieder voll.“

Impressionen aus dem NETZlabor E-Mobility-Chaussee

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Die Römerstraße in Kusterdingen-Wankheim

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Die Römerstraße in Kusterdingen-Wankheim

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Alltag mit Elektromobilität

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Alltag mit Elektromobilität

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Einweisung in die E-Fahrzeugtechnik

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Strangregler

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Zentraler Batteriespeicher

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Einweisung in die Ladeinfrastruktur

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Dezentraler Batteriespeicher im Kontext der Autarkiebetrachtung

Der TechTalk der E-Mobility-Chaussee

Beim virtuellen TechTalk stellen Markus Wunsch und Patrick Vasile im Dialog die wichtigsten technischen Erkenntnisse des Projekts vor.

Abschlussbericht des NETZlabors E-Mobility-Chaussee

Zukunftsorientiert. Elektrisch. Mobil

Welche technischen Lösungsansätze das größte Potential für eine optimale Integration der Elektromobilität in die bestehende Netzinfrastruktur ländlicher Stromkreise aufweisen und welche aufschlussreichen Erkenntnisse wir bei der Beobachtung des Spannungsniveaus erlebt haben, verraten wir in unserem Abschlussbericht des NETZlabors E-Mobility-Chaussee.

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Antworten zu den häufigsten Fragen finden Sie in unserem FAQ-Bereich.

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